Die Wechselwirkung zwischen Krafttraining und Psyche

Auswirkungen auf die Psyche

Interessant ist es zu sehen, welche neurologischen Anpassungen durch das Krafttraining auftreten. Wie im Review von (Di Liegro et al., 2019) dargestellt, steht beispielsweise der Neurotransmitter Dopamin im Zusammenhang mit der Motivationsregulation. Das beim Training ausgeschüttete Dopamin trägt dazu bei, dass man motiviert bleibt und sich dafür entscheidet, erneut eine Trainingseinheit durchzuführen, um die sportlichen Ziele zu erreichen.

Außerdem ist der Neurotransmitter an der Langzeitpotenzierung im Hippocampus beteiligt und steigert die Regulation des Wachstumsfaktors BDNF, wodurch neue Neuronen, neuronale Nervenbahnen und Synapsen ausgebildet und verstärkt werden. So wird der Lernprozess und der Erwerb neuer Fähigkeiten gefördert, sodass die kognitiven Funktionen verbessert werden. Diese Annahme wird auch durch das Review von (O’Connor et al., 2010) unterstützt, da dort Studien herangezogen werden, welche den Effekt von Krafttraining auf die kognitiven Funktionen untersuchen.

Es zeigt sich, dass Krafttraining bei gesunden älteren Menschen eine positive Wirkung auf die kognitiven Fähigkeiten hat, insbesondere treten Verbesserungen bei Gedächtnis-Aufgaben auf. Dem zu Grunde liegt die vermehrte Ausschüttung von Dopamin und des damit zusammenhängenden BDNF, wodurch neue Neuronen-Netzwerke ausgebildet oder Vorhandene verstärkt werden.

Dies verbessert besonders bei älteren Menschen die Fähigkeit, sich Dinge besser merken und diese bei Bedarf abrufen zu können. Die Dopamin-Ausschüttung durch das Krafttraining spielt außerdem eine Rolle bei der Reduzierung von depressiven Symptomen, sowohl bei mental kranken als auch bei mental gesunden Menschen (O’Connor et al., 2010).

Wie im Review von (Di Liegro et al., 2019) gezeigt, stellt der Neurotransmitter Dopamin außerdem einen wichtigen Unterscheidungsfaktor zwischen Sporttreibenden und Nicht-Sporttreibenden dar: Je öfter ein Mensch zum Training geht, desto mehr Dopamin wird ausgeschüttet. Je mehr Dopamin ausgeschüttet wird, desto öfter wird sich der Mensch körperlich aktiv betätigen. Das Training und die Dopamin-Ausschüttung beeinflussen sich gegenseitig.

Das könnte auch den Trainings-Drang erklären, den manche Menschen verspüren, da diese das Glücksgefühl erleben möchten, das sich während oder nach dem Training einstellt. Durch das körperliche Training kommt es außerdem zu einer Reduzierung von Stress, sodass das Risiko von stressinduzierten Krankheiten wie Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlafstörungen oder Verdauungsstörungen gesenkt werden kann (Franklin et al., 2021).

Ebenso kann regelmäßige sportliche Aktivität dazu beitragen, dass Stress besser toleriert wird. Durch den Sport werden Kortison-Level reduziert, die Herzfrequenz bleibt in einem normalen Bereich und steigt nicht an und die Stimmung hebt sich. Zudem zeigen Menschen die häufig Sport treiben mehr Gelassenheit und leiden weniger an Angstzuständen (Franklin et al., 2021).

Auswirkungen auf die Resilienz

Die deskriptive Querschnittsstudie von (San Román-Mata et al., 2020) zeigt, dass körperliches Training einen positiven Einfluss auf die Resilienz, das heißt die psychische Widerstandsfähigkeit, und die emotionale Intelligenz besitzt. Das Training hilft dabei, eigene Emotionen zu erkennen und sie zu beeinflussen und auch die Emotionen anderer Mitmenschen kennenzulernen.

Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein und das Selbstbild

Das Selbstbewusstsein ist das eigene Bewusstsein innerhalb einer Gesellschaft, welches durch Selbstbeobachtung, Selbstreflexion und Selbstvertrauen entsteht (Meyer, 2011). Ein hohes Selbstbewusstsein ist verbunden mit einer hohen physischen und psychischen Gesundheit und Wohlbefinden.

Studien zeigen, dass Krafttraining einen Einfluss auf das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl besitzt (O’Connor et al., 2010). So kann das Selbstbewusstsein sowohl bei jungen und alten gesunden Menschen, als auch bei Tumor-Patient*innen und Patient*innen mit Depressionen durch Krafttraining verbessert werden.

Während das allgemeine Selbstbewusstsein in der Persönlichkeitspsychologie als relativ stabil angesehen wird, können durch körperliches Training meist untergeordnete Aspekte des Selbstbewusstseins beeinflusst werden, wie die Gefühle und Gedanken über den eigenen Körper oder die muskuläre Stärke.

Die im Review von (O’Connor et al., 2010) erwähnten Studien stellen außerdem heraus, dass körperliches Training durch die Verbesserung der Selbstwirksamkeit und des Selbstwertgefühls das allgemeine Selbstbewusstsein positiv beeinflussen kann.

Auch in der Meta-Analyse von (Liu et al., 2015) zeigt sich, dass Kinder und Jugendliche mithilfe von körperlicher Aktivität ihr Selbstwertgefühl und ihr Selbstkonzept verbessern können, was zu einem positiveren Selbstbild führt und Vorteile im Alltag und im Erwachsenwerden bringen kann.

 

Auswirkungen auf psychische Krankheiten

Das Krafttraining nimmt Einfluss auf psychische Krankheiten, wie Depressionen oder Angstzustände. Dabei werden die Symptome reduziert und die Patient*innen erlangen mehr Lebensqualität zurück. Bei depressiven Patient*innen kann gezeigt werden, dass ein körperliches Training ähnlich gute Wirkungen erzielt wie die Behandlung mit Psychopharmaka (Oertel-Knöchel & Hänsel, 2016).

Auch die Schlafqualität von depressiven Patient*innen verbessert sich durch das Krafttraining, wie eine im Review von (O’Connor et al., 2010) vorgestellte Studie zeigt. Ebenso nimmt das Krafttraining Einfluss auf das Kohärenz-Gefühl bei depressiven Patient*innen, sodass sie wieder öfter das Gefühl haben, den Herausforderungen des Lebens gewachsen zu sein (Kekäläinen et al., 2018).

Bei Patient*innen mit Fibromyalgie-Syndrom (FMS) kann auch das Schmerzempfinden durch Krafttraining verbessert werden und stellt so eine Therapiemöglichkeit in der Behandlung dieser Krankheit dar (O’Connor et al., 2010). Ebenso effektiv wirkt das Krafttraining auf die Reduzierung des Fatigue-Syndroms, das eine Begleiterscheinung bei chronischen Krankheiten wie Krebs, Rheuma oder Aids darstellt.

Auch bei Krankheiten wie der Schizophrenie ist das körperliche Training, besonders in den kritischen Phasen, die von Antriebslosigkeit und Energieverlust geprägt sind, hilfreich und führt zu deren Verbesserung (Oertel-Knöchel & Hänsel, 2016). Außerdem empfinden die Betroffenen eine gesteigerte Lebensqualität und es kommt zu einem verbesserten Sozialverhalten.

Das Training nimmt außerdem Einfluss auf das Hippocampus-Volumen, sodass die Gedächtnisleistung von Schizophrenie-Patient*innen verbessert werden kann (Cotman, 2002). Wirksam ist der Sport außerdem für die Therapie von Essstörungen. Zum Beispiel können Heißhungerattacken reduziert und die Körperwahrnehmung positiv verändert werden (Oertel-Knöchel & Hänsel, 2016).

Einfluss der Psyche auf das Krafttraining

Wie viel Macht die Gedanken über die körperliche Leistung haben, zeigt die Studie von (Reiser et al., 2011): Bei der Studie werden 43 Sportstudierende der Universität Gießen in vier verschiedene Gruppen eingeteilt.

In drei Gruppen werden verschiedene Kombinationen aus mentalem (IMC) und maximum voluntary contraction (MVC)-Krafttraining durchgeführt, während in der vierten Gruppe ein rein physisches MVC-Training ohne mentalen Aspekt ausgeführt wird. Das Ziel der Studie ist, herauszustellen inwiefern der Kraftzuwachs durch die Vorstellung der maximalen isometrischen Kontraktion des jeweiligen Muskels zunimmt.

Dabei werden vier Übungen (Bankdrücken, Beinpresse, Trizeps-Extension und Wadenheben) zufällig verteilt, sodass die Probanden jeweils zwei der Übungen durchführen müssen, während die übrigen Übungen als Kontrollübungen dienen. Mithilfe dieser Kontrollübungen können die Verbesserungen sichtbar werden. Die Übungen werden im Stil des isometrischen Krafttrainings durchgeführt, das heißt dabei kontrahiert der angesprochene Muskel und bleibt unter maximaler Anspannung ohne eine Längenveränderung.

Beim MVC-Training gibt es 12 Trainingseinheiten, bei denen vier Sätze der beiden Übungen mit zwei maximal isometrischen Kontraktionen von fünf Sekunden und einer Pause von 10 Sekunden zwischen den beiden Kontraktionen durchgeführt werden. Die Pause zwischen den Sätzen dauert 90 Sekunden. Vor Beginn, am Ende und eine Woche nach Beendigung der Trainingsintervention wird die maximum voluntary contraction (MVC), die Maximalkraft, bestimmt. Wichtig für die Teilnahme an der Studie ist die Fähigkeit sich realistische Bilder motorischer Handlungen einprägen zu können.

Die Trainingseinheiten finden drei Mal pro Woche für vier Wochen statt. Auch das IMC-Training wird für denselben Zeitraum durchgeführt, dabei werden die Probanden dazu animiert, sich maximale Muskelkontraktionen möglichst lebhaft vorzustellen. Allerdings sollten sie dabei kinästhetische Bilder verwenden und sich auf das Gefühl der Muskelkontraktion konzentrieren, während der Muskel entspannt bleibt. Mithilfe der Anweisungen der Studienleitung wissen die Probanden wann die Vorstellung der Kontraktionen beginnen und wann sie enden soll.

Danach sollen sie die Lebendigkeit der Bilder auf einer Skala von 1, wo keine lebhafte Vorstellung der Kontraktion möglich ist, bis 5, wo diese möglich ist,  einordnen. Es stellt sich heraus, dass die Kraftzuwächse der Gruppe, die ein rein körperliches Training durchführen, größer sind als bei den Gruppen, die ein kombiniertes Training aus mentalen und physischen Komponenten durchführen.

Die Kraftzuwächse liegen bei MVC bei 4,3% im ersten Posttest und bei IMC zwischen 3,0 und 4,2%. Auch im zweiten Posttest erzielt die MVC-Gruppe bessere Ergebnisse. Verglichen mit den Kontrollübungen, sind stärkere Kraftzuwächse bei den im Training durchgeführten Übungen zu sehen. Die Ergebnisse zeigen aber, dass große Kraftzuwächse mithilfe der Kombination aus mentalem Training und Krafttraining möglich sind.

Mentales Training kann demnach unterstützend im Training wirken. Durch die Vorstellung der Ausführung der Übung und die Kontraktion des Muskels, kann eine bessere Verbindung zwischen Muskeln und Geist hergestellt werden, die im Training von Vorteil sein kann.

Krafttraining und die Muskeldysmorphie

Die betroffenen sporttreibenden Personen weisen unter anderem Verhaltensweisen wie wiederholtes und exzessives Gewichtheben, stundenlanges, fast tägliches Training oder spezifische Ernährungsgewohnheiten auf, die genau eingehalten werden (Hartmann et al., 2019).

Außerdem gehen die Betroffenen trotz Verletzungen oder Erkrankungen zum Training und schenken anderen Dingen, wie Freizeitaktivitäten mit Freunden oder dem Job, neben dem Training weniger Beachtung. Hinzu kommt das Verstecken des eigenen Körpers unter weiter Kleidung oder das Vermeiden sich vor anderen umzukleiden. Zudem kommt es bei sporttreibenden Personen mit einer muskeldysmorphen Störung oft zu einem Anabolikagebrauch zur Unterstützung des Muskelaufbaus (Hartmann et al., 2019).

Auch andere Substanzen, wie Diuretika, Schmerzmittel oder Clenbuterol kommen zum Einsatz, um die Form des Körpers zu verändern. Die strikte Ernährungsweise kann außerdem zu anderen psychischen Krankheiten wie Anorexia nervosa führen (Hartmann et al., 2019). Die Betroffenen haben ein erhöhtes Suizidrisiko und weisen allgemein eine geringere Lebensqualität auf. Die Muskeldysmorphie tritt meist bei Männern, aber auch immer mehr bei Frauen auf und kann sowohl Wettkampf-Bodybuilder*innen, als auch Freizeit-Bodybuilder*innen betreffen.

In der Studie von (Goldfield, 2009) wird gezeigt, dass Frauen, die Bodybuilding in ihrer Freizeit betreiben ebenfalls in geringerem Maße Gefühle der Körperunzufriedenheit, Gewichts- und Formbesessenheit und bulimische Handlungen aufweisen, wie weibliche Bodybuilder, die den Sport wettkampfmäßig durchführen.

Fazit

Das Krafttraining steht außerdem in Zusammenhang mit einer Erhöhung der Resilienz, die mit einer erhöhten Selbstwirksamkeit, einer hohen Problemlösefähigkeit, einer verbesserten sozialen Kompetenz sowie einer erhöhten adaptiven Bewältigungskompetenz einhergeht. Durch die Erhöhung der Resilienz resultiert ein besserer Umgang mit Stress und ein positiveres Selbstbild, welches zu einer Verbesserung des Selbstbewusstseins führt. Dadurch ergeben sich Vorteile im Alltag. Außerdem bewirkt das Krafttraining die Entstehung neuer Neuronen-Netzwerke im Gehirn, sodass kognitive Funktionen verbessert und der Erwerb neuer Fähigkeiten gefördert werden. Es zeigt sich auch, dass mithilfe eines mentalen Trainings die Psyche Einfluss auf die körperliche Leistungsfähigkeit hat. Ebenfalls werden durch Krafttraining bei psychisch kranken Menschen die verschiedenen Symptome, wie depressive Stimmungen, das Schmerzempfinden, Heißhungerattacken oder die Antriebslosigkeit, reduziert. Jedoch birgt Bodybuilding auch das Risiko psychische Krankheiten, wie eine Muskeldysmorphie oder Essstörung, auszubilden, aufgrund der konstanten Beschäftigung mit dem eigenen Körper. Es ist erkennbar, dass Bodybuilding zahlreiche Vorteile in verschiedenen Aspekten aufweist, sodass das schlechte Ansehen des Sports in der Gesellschaft revidiert werden sollte.

Literaturverzeichnis

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Di Liegro, C. M., Schiera, G., Proia, P., & Di Liegro, I. (2019). Physical Activity and Brain Health. Genes, 10(9). https://doi.org/10.3390/genes10090720

Franklin, B. A., Rusia, A., Haskin-Popp, C., & Tawney, A. (2021). Chronic Stress, Exercise and Cardiovascular Disease: Placing the Benefits and Risks of Physical Activity into Perspective. International journal of environmental research and public health, 18(18). https://doi.org/10.3390/ijerph18189922

Goldfield, G. S. (2009). Body image, disordered eating and anabolic steroiduse in female bodybuilders. Eating disorders, 17(3), 200–210. https://doi.org/10.1080/10640260902848485

Hartmann, A. S., Grocholewski, A., & Buhlmann, U. (2019).Körperdysmorphe Störung (1. Aufl.). Fortschritte der Psychotherapie: Band 72. Hogrefe.

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Liu, M., Wu, L., & Ming, Q. (2015). How Does Physical Activity Intervention Improve Self-Esteem and Self-Concept in Children and Adolescents? Evidence from a Meta-Analysis. PloSone, 10(8), e0134804. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0134804

Meyer, T. (2011).Sportpsychologie: Die 100 Prinzipien : Nachschlagewerk für Trainer, Betreuer und Athleten (1. Aufl.). Copress Sport.

O’Connor, P. J., Herring, M. P., & Caravalho, A. (2010). Mental Health Benefits of Strength Training in Adults. American Journal of Lifestyle Medicine, 4(5), 377–396. https://doi.org/10.1177/1559827610368771

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Reiser, M., Büsch, D., & Munzert, J. (2011). Strength gains by motor imagery with different ratios of physical to mental practice.Frontiers in psychology, 2, 194. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2011.00194

San Román-Mata, S., Puertas-Molero, P., Ubago-Jiménez, J. L., & González-Valero, G. (2020). Benefits of PhysicalActivity and Its Associations with Resilience, Emotional Intelligence, and Psychological Distress in University Students from Southern Spain. International journal of environmental research and public health, 17(12). https://doi.org/10.3390/ijerph17124474